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Poolgeflüster

Wir bräunen bzw. grillen uns auf den altehrwürdigen Liegestühlen, mitten in der ligurischen Nachmittagssonne. Es ist heiss und wir drehen uns von links nach rechts und wieder zurück. Die Sonne strahlt mit ganzer Kraft, die neue Sonnenbrille hat sich gelohnt.


Ich lese in meinem E-Reader, doch das aktuelle Buch aktuell gerade etwas langatmig und die einzelnen Szenen sind für meinen Geschmack zu ausführlich beschrieben. Über die grosse Treppe kommen neue Badegäste dazu. Mit einem Auge werden die Neuankömmlinge beobachtet und zu ihrem selbst auserwählten Liegeplatz verfolgt.


Da kommt dieser eine Moment, wo sich die Intuition meldet, sind das nicht Badegäste aus dem gleichen Land wie wir, Schweizer? Dieser feine Radar ist sofort und umgehend aktiviert und an lesen ist nicht mehr zu denken. Ich frage mich im Nachhinein, was war bei denen ausschlaggebend, dass ich hinschaute, was war anders als bei den übrigen Gästen. Warum hatte ich den Drang, wachsam zu bleiben und jedes Wort, jeden noch so kleinen Laut zu belauschen?

Keine Angst, ich horche Fremde nicht aus, es dreht sich nicht um den Inhalt des Gespräches, ich habe nur den wahnsinnigen Wunsch, genau in diesem Moment herausfinden: „welche Sprachen sprechen sie“.


Ich versuche ruhig und gleichmässig zu atmen. Atmen hilft, um damit die Aussengeräusche zu filtern. Die Gespräche der anderen Badegäste, das Wasserflugzeug das seine runden dreht, die Möwen die kreischend zum Meer fliegen, all diese Geräusche musste ich während dem „lesen“ rausfiltern, damit ich die Sprache der Badegäste hören und identifizieren konnte. Gelesen habe ich während diesen spannungsvollen Minuten keine Seite, es waren immer die gleichen Seiten, vor und zurück. Dafür habe ich um so mehr versucht zu hören und zu verstehen. Bis ich den Beweis hatte. Es sind Schweizer. Ich muss für mich Lächeln und gehe direkt in die nächste Runde, Dialekt erraten.


Nach einigen Minuten war klar, sicher keine Bündner und auch keine Zürcher. Ostschweiz, ausgeschlossen. Hm. Ich lasse mich vom Kellner ablenken, der mich gerade höflich nach meinem nächsten Getränk fragt. Aus den Gedanken gerissen antworte ihm höflich, „un Acqua gassata per favore“ und als er wegläuft, frage ich mich, warum ich ein Wasser mit Kohlensäure bestellt habe, das trinke ich sonst nie. Die Gedanken waren wohl kurz auf Abwegen.

Auf dem Weg ins Hotelzimmer schaute ich auf dem Parkplatz nach dem Kennzeichen. Schweiz war korrekt, beim Dialekt bzw. Kanton da war ich nicht weiter. Passte trotzdem. War ein guter Ausgleich zu meinem Buch am Pool.


Hab das Buch trotzdem noch zu Ende gelesen.

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